Das Ende des analogen Videorecorders naht (ganze Story)
DVD-Recorder werden billiger / Hektischer Modellwechsel und harterWettbewerbsdruck in der Unterhaltungselektronik / Wegen des raschen Preisverfalls lohnt ein wenig Warten
FRANKFURT, 25. August. Für den Videorecorder mit der fast drei Jahrzehnte alten VHS-Kassette naht das Ende. Das "Video-Home-System", mit dem sich der japanische Elektronikkonzern JVC einst gegen die technisch überlegene Konkurrenz von Sony und Philips durchsetzte, wird nicht mehr gebraucht. Denn die digitalen Nachfolgesysteme, anfangs zu abschreckenden Preisen angeboten, sind jetzt erschwinglich geworden.
Knapp ein Jahr nach der Markteinführung von Videorecordern, die auf einer wiederbespielbaren Digital Versatile Disc (DVD-RAM) aufnehmen, hat sich der Preis für die Geräte mehr als halbiert. Die ersten DVD-Recorder wurden im Spätsommer vergangenen Jahres für gut 2000 Euro vorgestellt und in diesem Frühjahr für etwa 1500 Euro angepriesen. Jetzt bietet Philips ein Modell an, das nur noch 899 Euro kosten soll. Der Durchschnittspreis ist nach den Erkenntnissen der Marktforscher um etwa 25 bis 35 Prozent gesunken.
Die bespielbare DVD kommt gerade rechtzeitig, bevor die Festplatten-Videorecorder, die mit der aus dem Computer bekannten Technik Filme aufzeichnen, den Markt erobern. Mit bis zu 12 Stunden Aufnahmezeit hat die DVD eine deutlich geringere Speicherkapazität als die Festplatte mit bis zu 80 Stunden, deren Technik zudem viel kostengünstiger ist: Festplattenrecorder, zum Teil integriert in Satellitenempfänger, sind für weniger als 300 Euro im Handel. Aber die DVD lassen sich wie die alten Videobänder archivieren, während die Festplatte vor allem zum zeitversetzten Sehen taugt.
Vom alten analogen Videorecorder werden seit mehr als einem Jahrzehnt in Deutschland jährlich rund 3 Millionen Stück verkauft - aber die Umsätze sind seitdem auf weniger als ein Drittel gesunken. Ähnliche Entwicklungen ziehen sich quer durch die Unterhaltungselektronik, sei es die Mini Disc, die Satelliten-Empfangsanlage oder das Digitalradio: Stets stehen am Anfang Neuheiten, die nur von Pionieren gekauft werden. Nach erfolgreicher Markteinführung jagt dann eine Preissenkung die andere. Oft lohnt es sich daher, ein wenig zu warten.
Die hektischen Preisbewegungen seien vor allem eine Folge des technischen Fortschritts, erläutert Andrä Herrmann, Vorsitzender des Fachverbands Consumer Electronics im Zentralverband Elektrotechnik- und Elektroindustrie (ZVEI) und Vorstandsmitglied der Matsushita Europe (Panasonic), im Gespräch mit dieser Zeitung. "Wenn die Unternehmen ein neues Produkt auf den Markt bringen, sind die Produktionskapazitäten gering, sie werden erst bei entsprechendem Markterfolg ausgeweitet", sagt er.
Produziert wird dann oft an Produktionsstätten in Niedriglohnländern, die Stückkosten sinken. Zugleich steht das Nachfolgeprodukt dann schon fast bereit. Dessen Technik ist in der Regel noch kompakter und vor allem zu niedrigeren Kosten zu produzieren. "Im Vergleich etwa zum Lebenszyklus eines Automodells ist die Lebensphase der Produkte in der Elektronik kurz. Aber ob Neuentwicklungen sich durchsetzen, ist nicht sicher", erklärt Herrmann weiter. Die Hersteller könnten wegen dieser Unwägbarkeiten die Preise nicht über den gesamten Lebenszyklus kalkulieren und stabil halten.
Ein Teil des hohen Risikos bei der Markteinführung neuer Produkte ist freilich hausgemacht. Daß zum Beispiel die analoge Video-Technik überhaupt so lange überlebt hat, hat seinen Grund in der Sturheit der Unterhaltungselektronik-Branche: Die großen Konzerne können sich regelmäßig nicht auf einheitliche technische Standards einigen. So hat es Jahre bis zur Übereinkunft auf ein DVD-Ram-Format gedauert, das wenigstens von den meisten Geräten gelesen werden kann. Die Folge waren in der Vergangenheit meist Alleingänge einzelner großer Anbieter und, wegen der scharfen Konkurrenz auf dem Markt, teure Flops.
Allerdings fallen die Preise in der Unterhaltungselektronik nicht immer über Nacht. Zu weitgehend stabilen Preisen wird zum Beispiel das wichtigste Produkt der Branche gehandelt, das Fernsehgerät. 1987 kostete es im Durchschnitt noch 1327 Mark, derzeit sind es 1010 Mark. Auch hier gab es jahrzehntelang keine spektakulären Neuentwicklungen. Doch auch der im Grundsatz ein Jahrhundert alten Bildröhre naht das Ende. Die neuesten Projektoren seien inzwischen viel billiger, heller und vor allem leiser geworden, sagt Herrmann. Die Hoffnung, daß die seit einigen Jahren auf der Funkausstellung vorgestellten großen und flachen Geräte mit Plasmatechnik irgendwann dem Preisverfall der Branche anheimfallen, hat sich indessen noch nicht erfüllt. Sie sind, mit Preisen jenseits der 5000 Euro, noch immer ein Fall für Enthusiasten.
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