Schwarzsehen
Von Ulrike Langer
Es war nur eine Minderheit von rund 100 000 Fernseh-Haushalten, die von der Fußball-WM vollkommen ausgeschlossen blieb. Hauptschuldiger war ein spanischer Pay-TV-Betreiber, der auf Exklusivität beharrte und die Konkurrenz der europaweit frei empfangbaren Sender ARD und ZDF nicht duldete. Doch bei der WM 2006 in Deutschland werden schon weit mehr betroffen sein, wenn für dieses Problem nicht bald eine Lösung gefunden wird.
Denn das digitale Satellitenfernsehen ist europaweit auf dem Vormarsch. Ein Drittel aller Haushalte in Deutschland empfängt mittlerweile Satelliten-TV direkt - zumeist noch analog, zunehmend aber digital. Außerdem werden die Satelliten-Signale auch in die Kabelnetze eingespeist. Verblüffend dabei ist, dass das analoge Satellitenfernsehen sich in der EU urheberrechtlich betrachtet in einem weitgehend rechtsfreien Raum entwickeln konnte. So brauchen die pan-europäischen Sender wie BBC World oder Euronews nur für das Land, aus dem sie senden, die Fernsehrechte zu kaufen. Lange Zeit glaubten die Experten nämlich, das Satellitenfernsehen würde ohnehin nur eine Sache der wenigen hoch technisierten Haushalte bleiben. Ein grundlegender Irrtum, wie sich mittlerweile herausgestellt hat. Ein verbindlicher Rechtsrahmen tut Not, sonst werden sich künftig schwarze Bildschirme oder notdürftige Ersatzprogramme in digitalen Satellitenfernseh-Haushalten häufen. "Die Fußball-WM ist nur die Spitze des Eisberges", betont Hans Hege, Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg.
Tatsächlich prophezeit Hartmut Schultz, Unternehmenssprecher der Kirch Media: "Die Verschlüsselung von hochwertigen Inhalten wird in der digitalen Satellitenübertragung in Zukunft auch die Free-TV-Angebote einschließen. Dies wird nicht nur Sport-Angebote betreffen, sondern alle attraktiven Filme und Events." Nur dann könnten "die Urheber ihre Rechte schützen und eine Verwertung in nationalen TV-Märkten sicherstellen". Werner Sosalla, Vorstand beim Institut für Europäisches Medienrecht in Saarbrücken, warnt ARD und ZDF davor, das Thema digitale Verschlüsselung auf die lange Bank zu schieben: "Das öffentlich-rechtliche Fernsehen muss darüber nachdenken, ob man nicht im digitalen Zeitalter eine Adressierung braucht." Mit Pay-TV und teuren Abo-Gebühren wie bei Premiere Digital hätte dieses Verfahren nichts zu tun. Denn ARD und ZDF könnten rein technisch gesehen die Signale ihre Fernsehsignale problemlos digital verschlüsseln und ihren Adressaten zugleich eine so genannte SmartCard kostenlos zur Verfügung stellen, die die Signale wieder entschlüsselt. Kabelkunden bräuchten keine SmartCard, da das Signal an den Kabelkopfstationen automatisch wieder freigeschaltet werden kann. Auf diese Weise würde der "Spill-Over-Effekt" in andere Länder, die keine Ausstrahlungslizenzen erworben haben, vermieden. Präzedenzfälle gibt es bereits: ORF, SRG (Schweiz) und RAI (Italien) verschlüsseln ihre Digitalprogramme, um die Rechte Dritter zu wahren.
ARD-Chef Fritz Pleitgen sperrt sich allerdings aus grundsätzlichen Erwägungen gegen die "Barrieren im Weltraum". Die WDR-Justiziarin, Eva-Maria Michel, glaubt, dass die Rechteverwerter "mit der Verschlüsselung die technische Infrastruktur dafür durchsetzen wollen, künftig einzelne Spiele oder auch andere Angebote nur noch gegen Bezahlung freizuschalten". Dagegen sagt Hege, dass sich die öffentlich-rechtlichen TV-Sender mit ihrer "grundsätzlichen Aversion dagegen, Programme zu verschlüsseln" in die Enge manövrieren: "Wer Urheberrechte für die digitale Verbreitung erwirbt, wird künftig um das Thema Verschlüsselung nicht mehr herumkommen." Rupert Murdoch habe jedenfalls kein Problem damit. Seine Strategie mit SkyDigital in Großbritannien: Exklusive Programme verschlüsseln und die Decoder verschenken oder zum Schleuderpreis verkaufen, und die Kosten über teures Pay-TV wieder hereinholen.
[ document info ] Copyright © Frankfurter Rundschau 2002 Dokument erstellt am 03.07.2002 um 21:12:01 Uhr Erscheinungsdatum 02.07.2002
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